
Arbeitsmarkt-Paradoxon 2025: 70.000 unbesetzte Stellen trotz 250.000 Jugendlicher in Qualifizierungsmaßnahmen
Während HR-Manager verzweifelt nach Auszubildenden suchen, durchlaufen hunderttausende junge Menschen Qualifizierungsmaßnahmen statt einer Ausbildung. Aktuelle Studien zeigen: Über 60% von ihnen könnten direkt ins Berufsleben starten.
Das ungenutzte Potenzial auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einem bemerkenswerten Paradoxon: Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung blieben 2024 bundesweit fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Gleichzeitig befinden sich etwa 250.000 Jugendliche in berufsvorbereitenden Kursen im sogenannten Übergangssektor.
Das überraschende Ergebnis der Studie: 26,3% dieser jungen Menschen könnten sofort eine Ausbildung beginnen. Weiteren 36,4% trauen Fachkräfte dies mit professioneller Begleitung ebenfalls zu. Für Unternehmen mit Rekrutierungsproblemen erschließt sich hier ein wertvolles, bisher kaum genutztes Potenzial.
- Verdecktes Potenzial: Mehr als 60% der Jugendlichen im Übergangssektor sind ausbildungsreif oder könnten es mit Unterstützung sein
- Verfügbare Ressource: Fast 150.000 potenzielle Auszubildende warten im Übergangssektor auf ihre Chance
- Wirtschaftlicher Mehrwert: Unbesetzte Ausbildungsplätze verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Kosten
Jugendliche im Übergangssektor als aktiv Jobsuchende verstehen
Die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen zeigt bereits die Motivation dieser jungen Menschen, sich beruflich zu entwickeln. Anders als passive Kandidaten besitzen sie bereits eine gewisse Bereitschaft und Eigeninitiative. Diese intrinsische Motivation ist für Arbeitgeber besonders wertvoll.
Wie bei allen Zielgruppen ist ein differenzierter Blick entscheidend. Die individuellen Bedürfnisse dieser Bewerber sind vielfältig – von fehlender beruflicher Orientierung bis zu spezifischen Unterstützungsbedarfen. Erfolgreiche Arbeitgeber passen ihre Ansprache entsprechend an.
- Intrinsische Motivation: Teilnehmer des Übergangssektors zeigen bereits Eigeninitiative zur beruflichen Entwicklung
- Zielgruppenspezifische Ansprache: Eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Kommunikation erhöht die Resonanz
- Authentische Darstellung: Transparente Darstellung der Ausbildungsinhalte und ehrliches Feedback schaffen Vertrauen
Die richtigen Kanäle zur Rekrutierung aus dem Übergangssektor
Der Zugang zu Talenten aus dem Übergangssektor erfordert alternative Rekrutierungswege. Während klassische Stellenbörsen diese Zielgruppe kaum erreichen, bieten Kooperationen mit Bildungsträgern, Berufsschulen und Jobcentern direkte Zugänge zu motivierten Kandidaten.
Die Unternehmenswebsite bleibt ein zentrales Instrument, sollte jedoch für diese Zielgruppe optimiert sein. Klare, verständliche Informationen zu Ausbildungsinhalten, niedrigschwellige Bewerbungsmöglichkeiten und Einblicke in die Ausbildungsrealität erhöhen die Ansprache dieser Kandidatengruppe erheblich.
- Strategische Partnerschaften: Direkte Kooperationen mit Bildungsträgern und Einrichtungen des Übergangssektors
- Zielgruppengerechte Online-Präsenz: Einfache Sprache, klare Informationen und barrierefreier Zugang zum Bewerbungsprozess
- Praktische Erprobung: Schnupperpraktika und Probearbeitstage statt formaler Bewerbungshürden
Erfolgsmessung von Rekrutierungskampagnen im Übergangssektor
Die Rekrutierung aus dem Übergangssektor lässt sich mit konkreten Metriken erfassen und optimieren. Eine detaillierte Analyse der gesamten Candidate Journey ermöglicht gezielte Verbesserungen an kritischen Punkten des Bewerbungsprozesses.
Erfolgreiche Unternehmen definieren klare, messbare Ziele: Anzahl der Erstkontakte, Bewerbungsrate, Einstellungsquote und langfristige Verbleibquote. Diese Daten ermöglichen kontinuierliche Verbesserungen der Rekrutierungsstrategie und sichern nachhaltige Erfolge.
- Klare Metriken: Definierte Kennzahlen für jeden Schritt des Rekrutierungsprozesses
- Prozessanalyse: Identifikation von Hürden und Abbruchpunkten in der Candidate Journey
- Nachhaltige Integration: Messung der langfristigen Bindungsrate und Entwicklung der neuen Mitarbeiter
Praktische Umsetzungsbeispiele
Ein mittelständischer Metallverarbeiter aus Süddeutschland kooperiert seit 2023 mit lokalen Bildungsträgern. Durch gezielte Ansprache und ein strukturiertes Mentoring-Programm konnten sieben von acht Ausbildungsplätzen mit Kandidaten aus dem Übergangssektor besetzt werden. Nach 18 Monaten sind noch sechs der sieben Auszubildenden im Unternehmen – eine deutlich bessere Quote als bei konventionell rekrutierten Auszubildenden.
Ein IT-Dienstleister hat seinen Bewerbungsprozess grundlegend vereinfacht: Statt formaler Nachweise steht ein eintägiger Praxis-Workshop im Mittelpunkt. Diese Herangehensweise hat die Bewerberzahlen verdreifacht und ermöglicht die Identifikation von Talenten, die in klassischen Verfahren übersehen worden wären.
- Praxisbeispiel Produktion: Höhere Bindungsrate durch strukturierte Begleitung und Mentoring
- Praxisbeispiel IT: Kompetenzorientierte Auswahl statt formaler Qualifikationen erhöht die Kandidatenbasis
- Gemeinsame Erfolgsfaktoren: Offenheit für alternative Wege und Fokus auf praktische Fähigkeiten
Fazit: Das Paradoxon des deutschen Arbeitsmarktes bietet HR-Verantwortlichen eine strategische Chance. Während tausende Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, wartet im Übergangssektor ein bedeutendes Potenzial an motivierten jungen Menschen auf ihre Chance. Mit den richtigen Strategien können Unternehmen dieses Potenzial erschließen und gleichzeitig einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Sie sind dran: Analysieren Sie Ihre bisherigen Rekrutierungswege für Auszubildende. Welche alternativen Kanäle könnten Sie erschließen? Nehmen Sie Kontakt zu Bildungsträgern in Ihrer Region auf und prüfen Sie, ob eine Kooperation mit dem Übergangssektor Ihre Rekrutierungsherausforderungen lösen könnte.
Dieser Beitrag entstand nach Lektüre von Markus Sutera in Der Spiegel (Spiegel Start), 15.01.2025:
Mehr als ein Viertel der Jugendlichen ohne Lehrstelle könnte direkt in Ausbildung starten